Catalogo Foscarini Maestrie
217 Mastery 216 Maestrie beigetragen haben. Das bedeutet nicht, dass die Marke als Konzept obsolet geworden ist. Im Gegenteil. Was heute immer deutlicher als überholt erscheint, ist die Herangehensweise, mit der viele Unternehmen ihr Image aufgebaut haben. Von der Leidenschaft, dem Einsatz und dem Know-how zu erzählen, die die Entwicklung von Produkten wie Mite erst möglich gemacht haben, und diese Elemente weiter in den Vordergrund zu rücken, ist in der heutigen Möbelindustrie von entscheidender Bedeutung für den Wert eines Produkts in seiner Gesamtheit. Der Vorhang hebt sich. Die Szene erwacht zum Leben. Es gilt eine neue Geschichte zu erzählen. Nein, nicht eine, sondern viele. Denn jedes Produkt, das Foscarini auf den Markt gebracht hat, hat Phasen der Unsicherheit, Fehler und Fehlschläge hinter sich. Phasen, die es wert sind, der Öffentlichkeit vorgestellt zu werden – sind sie doch Teil des Erfahrungsschatzes und damit der Geschichte eines Unternehmens sowie Zeugnis der Sorgfalt und Leidenschaft, mit der ein Unternehmen seine Produkte fertigt. Handwerkskunst und zeitgenössisches Design Rodolfo Dordoni war von 1988 bis 1993 Art Director von Foscarini. Eine kurze Zeit, um der Produktion in ihrer ganzen Komplexität eine einheitliche Richtung zu geben, aber dennoch lang genug, um einige Projekte zu entwickeln, die den Weg des venezianischen Unternehmens kennzeichnen würden. Es ist die Zeit, in der Teile der Lichtbranche bereits neue Strategien umsetzen und sich auf dem Markt mit starken und innovativen Entscheidungen behaupten. Unternehmen wie Vistosi und Barovier&Toso hatten bereits ihre eigene Handschrift. Eine individuelle Handschrift, die Foscarini noch fehlte. Man benötigte ein Produkt, das der Arbeit des Unternehmens eine Richtung geben und ein klares Signal an den Markt senden konnte. Die von Rodolfo Dordoni entwickelte Leuchte Lumiere repräsentiert daher das ästhetische Manifest von Foscarini und eröffnet ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des Unternehmens. Der Entwurf zu Lumiere entsteht im Jahr 1990, in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Vetrofond, das kurz zuvor von Murano auf das venezianische Festland umgezogen war. Der Tradition der Glasbläserei eng verbunden, möchte Foscarini sein Gespür für den Puls der Zeit mit einem Entwurf unter Beweis stellen, der die charakteristische Poesie von mundgeblasenem Glas mit moderner Technologie verknüpft. Die Idee nimmt in Form einer einfachen Skizze Gestalt an: ein „Hut“ aus mundgeblasenem Glas auf einem Gestell aus Aluminiumdruckguss. Von der Idee zur Entwicklung des Produkts dauert es nicht lang. Das Endprodukt verbindet zwei Welten – die des traditionellen Handwerks, durch den Bezug zur venezianischen Tradition der Glasbläserei, und die der Industrie, durch den Einsatz von innovativem Aluminium. Der Trend wies in Richtung einer Ästhetik, die verstärkt auf dem Einsatz neuer Werkstoffe beruht, erzählt Dordoni. Foscarini schlägt eine Brücke zwischen zwei unterschiedlichen Welten und stellt eine originelle Balance her, die zum charakteristischen Merkmal eines immer noch erfolgreichen Projekts wird. Zwanzig Jahre später erfährt die Leuchte ein Restyling, wieder federführend geleitet von Rodolfo Dordoni. Es ist die Gelegenheit, eine neue Reihe innovativer Varianten zu entwickeln, von denen sich einige explizit an ein Nischenpublikum richten. Neue farbliche Ausführungen entstehen, eine Variante mit verspiegeltem Glas wird eingeführt, Proportionen und Optik werden für die Modelle XXS und XXL angepasst. Ziel ist es nicht, eine neue Leuchte zu entwickeln, sondern derselben Leuchte einen neuen „Touch“ zu verleihen. Der Zeitgeist weist nun in eine andere Richtung als beim Ursprungsentwurf. Im Mittelpunkt stehen jetzt handwerkliches Know-how und die erkennbar hohe Qualität der Verarbeitung, die Vetrofond auszeichnet. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in einer Sensibilisierung des Markts begründet, der große Umbrüche erlebt. Im Gegensatz zu früher suchen Käufer von Leuchten nun ein Produkt, das auf ehrliche Weise seine spezifischen Eigenschaften und seinen kulturellen Bezüge erkennen lässt. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass nur von Hand gefertigte Produkte gesucht werden, wie auch Dordoni betont: „Der Markt verlangt ein Produkt, das ein Gefühl vermittelt, häufig mit Details und Besonderheiten verknüpft, die auf eine handwerkliche Fertigung zurückzuführen sind.“ Es ist eine Frage der Ehrlichkeit. Es muss kommuniziert werden, welche Rolle handwerkliche Verarbeitung für die Fertigung des Produkts spielt und auf welche Weise dieser Aspekt für den geschulten Blick erkennbar wird. Qualität im Wandel Ein neues Konzept von Qualität. Ausgangspunkt für eine der zentralen Herausforderungen in der Welt des italienischen Designs: Vor diesem Hintergrund ist Italien aufgerufen, einen entsprechenden Wertekanon zu entwickeln. Jahrelang richteten italienische Unternehmen ihren Blick nach Deutschland, wenn es um Qualität im Sinne einer strengen Einhaltung technischer Standards ging. Heute haben viele italienische Hersteller die entsprechenden Standards längst erreicht und auf der Möbelmesse in Köln präsentieren sich die Produzenten des „Made in Italy“ inzwischen selbstbewusst. Doch die italienischen Unternehmen sind aufgerufen, mehr zu bieten. Mit qualitativ hochwertigen Produkten, die Emotionen vermitteln, den kulturellen Wert von Know- how kommunizieren und eine empathische Verbindung von verschiedenen Lebensstilen und sozialen Modellen ermöglichen. Wie können wir die Vorstellung von Qualität als Ergebnis von Standardisierung überwinden und ein Konzept schaffen, das Qualität auch als Bezugspunkt für soziale und kulturelle Beziehungen versteht? Die Diskussion ist nicht neu. Einige dieser Themen standen bereits vor über hundert Jahren im Zentrum der Überlegungen der Arts-and-Crafts-Bewegung, die das gesamte vergangene Jahrhundert mal mehr, mal weniger stark prägten. John Ruskin und William Morris waren der Ansicht, dass sich Qualität nicht auf die schlichte Einhaltung exekutiver Parameter beschränkt, sondern dass sie vielmehr mit der Aufwertung durch die Subjektivität des Herstellers in Verbindung steht, mit der Möglichkeit, eine lebendige und intensive Verbindung mit der individuellen Sensibilität und Kultur des Produzenten eines bestimmten Erzeugnisses herzustellen. Ein Bildhauerlehrling, der auf der Baustelle einer gotischen Kathedrale arbeitete, hinterließ mit seinem individuellen Stil bei der Feinbearbeitung eines Wasserspeiers persönliche Spuren seiner Beteiligung an einem großen Gemeinschaftsprojekt. Wenn wir diese Kathedralen betrachten, sehen wir ein Volk in Bewegung, eine Gruppe von Menschen, die sich an einer gemeinsamen Anstrengung beteiligt, die über den Wert der individuellen Beiträge hinausgeht, und diese dennoch miteinbezieht und respektiert. Die italienischen Hersteller sind aufgerufen, auf dieselbe Weise die Inspirationen und Fähigkeiten der verschiedenen Akteure nach vorne zu bringen, die in die Fertigung einer Leuchte, eines Schranks oder einer Küche involviert sind. Die gesamte Produktionskette muss in der Lage sein, den Zeichen dieser Ausdrucksfähigkeit Raum zu bieten und sie dem Markt in verständlicher Form zu präsentieren. Insbesondere der Designer hat die Aufgabe, diesbezüglich einen gewissen „Spielraum“ zu gewähren, ohne dass dadurch jedoch der Produktionsprozess und die Qualität des Gesamtergebnisses beeinträchtigt werden. Auch in anderen Bereichen ist dieser Anspruch an Qualität zu einem charakteristischen Merkmal des Produkts geworden. In der Welt der Mode und Luxusartikel wurde der Verweis auf das Handwerk zum Instrument der Wahl, um den häufig überraschend hohen Preisunterschied zu rechtfertigen. Große Luxusmarken haben gelernt, die spezifischen Kompetenzen, die für ihre Produktion Voraussetzung sind, in Szene zu setzen. Aus diesem Grund förderten sie gezielt das wiederaufflammende Interesse für handwerkliche Arbeiten und trugen dazu bei, die wirtschaftliche und soziale Rolle des Handwerks neu zu denken. In vielen Fällen ging dieses Engagement über den Wirkungskreis des einzelnen Unternehmens hinaus. Man unterstützte Schulen, Ausstellungen, Stiftungen, die dazu beigetragen haben, den Wert von handwerklichem Know-how neu zu entdecken und ein Qualitätskonzept zu vermitteln, das auf menschliche Kompetenzen abstellt. Wenn heute viele Modehäuser und Luxusmarken ihre Produkte zu sehr hohen Preisen anbieten können, dann deshalb, weil in den vergangenen Jahren der Zusammenhang zwischen Stil, Designentwicklung und Know-how erneut ins Blickfeld gerückt ist. Aufgrund der Tradition der italienischen Designindustrie ist diese Strategie in diesem Bereich nur schwer umsetzbar. Der Beitrag des handwerklichen Know-hows dient hier nicht dazu, eine höhere Qualität zu rechtfertigen, sondern vielmehr als Zeugnis der besonderen Fähigkeit italienischer Hersteller, Vielfalt und individuelle Lösungen anzubieten. Und zwar durch die bewusste Kombination der Ergebnisse industrieller Standardisierungsverfahren und der individuellen Beiträge Einzelner. So muss die Evolution der Welt des Designs Hand in Hand mit der Weiterentwicklung jener kleinen und mittleren Unternehmen erfolgen, die als Zulieferer agieren. Dabei gilt es, Elemente eines rationalen Managements ebenso wie erkennbare Elemente einer handwerklichen Verarbeitung zu fördern. Es gilt, eine digitale Kultur zu entwickeln, die mit der Zeit geht und den menschlichen Beitrag auf wirtschaftlich nachhaltige Weise erhält. Je mehr von Design gefordert wird, Details zu beinhalten, die von Expertenhand gefertigt werden können, umso mehr werden die Unternehmen und Zulieferer der Designbranche dazu angehalten sein, ihre Verarbeitungsprozesse zu überdenken. Es geht darum, die Automatisierung und digitale Rationalisierung voranzutreiben und zugleich die Erfahrung und manuelle Kompetenz traditioneller Handwerker weiterzuentwickeln. Es ist wahrscheinlich so, dass wir uns mit einer hoch entwickelten und organisierten Handwerkskunst internationale Wertschätzung sichern können. Sie ist das zentrale Element in der Planung und Organisation einer alternativen Form der Produktion. Sie ist unsere größte Stärke, aber vielleicht definiert sie auch unsere Grenzen. Eine Ästhetik der Vielfalt „Als wir mit dem Projekt begannen, aus dem später die Leuchten der Serie Rituals entstehen sollten, dachten wir zu allererst an eine Empfindung.“ Wenn Roberto Palomba von der Entwicklungsgeschichte einer der erfolgreichsten Foscarini-Leuchten erzählt, erinnert er an die gewaltige kreative Vorstellungskraft, die dafür erforderlich war, und wie daraus nach zwei Jahren Arbeit ein raffiniertes Objekt aus Glas entstand. Ziel war es, eine Leuchte zu entwickeln, die ein lebendig wirkendes Licht verströmt. Die uns im Alltag zu Hause begleitet und uns die Sorgen der Welt vergessen lässt. Ein vibrierendes Licht, wie es nur mit Glas möglich ist. Der Weg bis zur Fertigstellung des Prototyps war nicht einfach. Die ursprüngliche Idee erhielt Unterstützung durch die Erfahrung von Giancarlo Moretti, dem Gründer und – bis heute – Geschäftsführer von Vetrofond. Die Rillen der Leuchte sollten das Licht durchscheinen lassen, um der ursprünglichen Idee gerecht zu werden. Auch die Wahl der Farbe – Weiß – stellte eine Herausforderung für die Fertigung des Prototyps und die anschließende Serienproduktion dar. Und schließlich mussten die Form und die weiteren Bearbeitungsschritte so gestaltet sein, dass der Marktpreis der Leuchte für eine breite Masse potenzieller Käufer leistbar blieb. Das Ergebnis war Rituals. Seit 2013 führt Foscarini die Leuchte nun im Programm – das Ergebnis eines offenen Dialogs unter Akteuren mit demselben Sinn für Qualität. Was bei Giancarlo Moretti beeindruckt, ist seine Fähigkeit, Handwerk und Management miteinander zu verbinden, handwerkliches Know-how und Kostenbewusstsein. Die Glasbläserei in Casale sul Sile ist ein magischer Ort, an dem Glasbläsermeister und ihre Assistenten – die Serventi und Serventini – zwischen den Öfen und Plätzen umherschwirren wie in einem ewigen Tanz. Man fragt sich, wie so viele Personen auf so beengtem Raum arbeiten können, ohne sich gegenseitig zu behindern. Dieser „Tanz“ der Männer und Glasstäbe, der selbst diejenigen fasziniert, die mit dem Alltag in einer Glasbläserei vertraut sind, ist alles andere als ein Durcheinander. An jedem Arbeitsplatz findet sich ein Handwerker, der auf einige bestimmte Verarbeitungsformen spezialisiert ist, um die persönlichen Fähigkeiten eines jeden Einzelnen optimal nutzen zu können. Und hier und dort finden sich auch unerwartete technologische Neuerungen, die den Mitarbeitern repetitive Arbeiten ohne besonderen Mehrwert abnehmen. Giancarlo Moretti ist mit Vetrofond in gleich zwei Bereichen absolut führend. Er ist sich bewusst, dass das Know-how des Unternehmens ein Versprechen für Hersteller darstellt, die ein innovatives Produkt entwickeln möchten. „Wenn wir bei Vetrofond in einem Jahr 100 Entwürfe für neue Projekte erhalten, dann setzen wir 98 davon auch um. In anderen Glasbläsereien
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